Kleiner Überblick

Donnerstag, 5. November 2015

Der ekelerregende Stumpfsinn des positiven Denkens

In Pick-Up-Foren heißt es oft und gerne "Denke positiv, blende das Negative aus!" Die Frage aber ist: Macht einen das wirklich glücklich? Ich glaube nein.
Denn jetzt mal ehrlich: Was bringt uns dieses Denken, wenn wir mit Problemen kämpfen, die wir nicht einfach so verdrängen können? Oder wenn wir unsere negativen Emotionen nicht einfach so kontrollieren können (ansonsten wären wir ja Roboter)? Man merkt: Dem positiven Denken liegt ein Stumpfsinn inne, der gefährlich, denn wir merken dann viel zu spät, dass sich unser Leiden dadurch nur intensiviert. Nein, ich persönlich propagiere eher eine Akzeptanz des Negativen.
In dem Zusammenhang möchte ich auf ein Beispiel aus dem Kino eingehen: In einer großartigen Szene eines meiner Lieblingsfilme - Melancholia - heißt es: "Die Welt ist schlecht und wir brauchen nicht um sie zu trauern!" Das spricht ein - eigentlich! - depressiver Filmcharakter aus, als alles - wie symptomatisch - auf den Weltuntergang zusteuert. Um mich mal kurz zu fassen: Dieser depressive Charakter - Justine - findet zu einer neuen Stärke zurück angesichts des Unausweichlichen, während Claire, die Besonnene, zunehmend verzweifelt. Eine Spoilerwarnung wäre jetzt absoluter Blödsinn, deswegen sage ich es ganz unverblümt: Am Ende stirbt die ganze Menschheit.
Nichtsdestotrotz handelt es sich bei diesem Film um ein Werk, das mich mehr aufmuntert als manch ein Feel-Good-Movie. Wieso? Ganz einfach: Am Ende siegt ein Charakter dadurch, dass er sein Elend und seine Misere akzeptiert, mehr noch: Er wächst über sich hinaus und opfert seine letzten Minuten der (Nächsten-)Liebe. Belebender geht's eigentlich kaum!
Was hat das ganze jetzt aber mit der Überschrift zu tun? Ganz einfach, die Leute, die so etwas propagieren sind normalerweise diejenigen, die Filme wie Melancholia meiden wie der Teufel das Weihwasser. Sie begnügen sich damit, zwanghaft auf das "Positive" zu achten, weil sie sich damit vorlügen, dass sie damit ihr Leid aus der Welt schaffen, nicht merkend, dass sie es nur verstärken.
Das Schlimme ist: Dieses unsägliche "positive Denken" wird von so vielen Seiten propagiert: von Hollywood, von der Pop-Musik, vor allem aber von der Werbeindustrie - ständig wird uns dort vorgegaukelt, dass wir uns auf das Gute fixieren - und uns damit belügen - sollen. "Sei ohne Sorge" wie es in Ingeborg Bachmanns großartigem Gedicht Reklame heißt. Dieses Sorglose zerstört uns aber innerlich - und wir nehmen es dankend, weil unwissend in Kauf.
Ich selbst war Opfer einer solchen Denke. Viel zu spät merkte ich, dass sich meine Depressionen und Suizidgedanken nur noch verschlimmerten, bis - der geneigte Leser ahnt's schon - ich diese Aspekte als Teil meines Charakters akzeptierte. Danach ging es mir nach und nach besser, weil ich mich anschließend freier, weil echter fühlte. Ich hörte auf, mich selbst zu belügen.
Wer weiß: Wenn wir diese Illusion des blinden Positivismus ablegen würden - vielleicht wären wir ein gutes Stück weiter. Ich würde es hoffen.

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